Diesen Herbst zeigt die Galerie Lullin + Ferrari neue Bilder von Eleni Gkinosati. Sie entstanden von Februar bis Ende Juli während einer Artist’s Residence in St. Moritz und wurden im August vor Ort in der Galerie in Zürich fertiggestellt. Gkinosatis Werke entwickeln sich innerhalb einer grossflächigen Leinwand, auf der sie weite Gesten macht. Das Ergebnis ist mal ein Reigen der Bewegung, mal ein Stillstand, manchmal im Einklang mit einer reduzierten Palette, mal eine Gruppe von Blöcken in kontrastierenden Farben.
Gkinosati ist als abstrakte Malerin bekannt, doch als sie im Engadin ankam und dort das Winterlicht erlebte, schuf sie mehrere kleinere Werke, in denen, ausgeprägter als in anderen früheren Arbeiten, Formen umrissen und definiert sind. Diese Formen sind zwar nicht leicht zu entziffern, besitzen aber einen ausgeprägten Sinn für Volumen. Eine zentrale Arbeit in der Ausstellung bei Lullin + Ferrari ist ein dreieinhalb Meter breites Gemälde, das im zweiten Galerieraum gezeigt wird und die Essenz ihrer Arbeiten aus dem Frühjahr und Sommer zusammenfasst. Dieses Werk, dessen Motiv für die Einladungskarte verwendet wurde, veranschaulicht das Auf und Ab, das Hinein- und Herausgehen aus der Objekthaftigkeit, das sie beschäftigt. Während einige undefinierbare, aber nichtsdestotrotz klar umrissene Dinge – Organe, Asteroiden? – auftauchen, sind andere Gesten an die Flächigkeit der Leinwand gebunden. Einige Lichter erzeugen Tiefe und andere werden in die Dynamik des flachen Bildes hineingezogen.
Gkinosatis Arbeitsumgebung ausserhalb des Ateliers steht in einer osmotischen Beziehung zu ihrer Malerei; die von Engadiner Schatten geprägten Umrisse in einer Schwarz-Weiss-Saison sind ein Beispiel dafür, während die jüngsten, in Zürich entstandenen Werke mehr Sprayfarben und urbane Bewegung aufweisen. Ein lokaler Einfluss durchdringt alle ihre Bilder, auch wenn dieser sich nicht direkt in identifizierbaren Zeichen manifestiert. Wenn die Werke jedoch als Landkarten gelesen werden sollen, dann sind es zerebrale Landkarten. Jedes Gemälde beginnt mit losen Markierungen, gefolgt von einem ausgedehnten Prozess der Beobachtung der Leinwand, unterbrochen von kurzen und intensiven Perioden des weiteren Markierens. Die Künstlerin ist auf der Suche nach dem Bild, das im Entstehen begriffen ist: Ihre Augen tasten die Oberfläche ab, ihr Gehirn sucht nach der Form, ihre Hände, die vom Gehirn geleitet werden, zeichnen das Werk. Es ist ein nicht-sprachlicher und intuitiver Prozess, der sich auf ihr Wissen über die Malerei und das langjährige künstlerische Muskelgedächtnis ihrer Hände stützt, und doch bleibt es eine bewusste und durchdachte Methode.
In gewissem Sinne gibt es nie eine leere Leinwand, denn die Künstlerin und die Betrachterinnen und Betrachter bringen ihre Erfahrungen und visuellen Erinnerungen in das Werk ein, noch bevor sie kunstgeschichtliche Bezüge berücksichtigen. (Wenn es einen einfachen kunsthistorischen Vergleich mit Gkinosatis Werk gibt, dann wäre es der mit den Abstrakten Expressionisten; während formale Parallelen zu finden sind, ist die vorherrschende Idee dieser Bewegung, heroische Kunst zu schaffen, um mit der Tradition zu brechen, weniger hilfreich). Hier und jetzt hat das Auge, das mit dem Gehirn kommuniziert, damit wir uns in der Welt zurechtfinden können, gelernt, das Gesehene zu lesen und zu sortieren. Wir reagieren auf Farbe, Kontrast, Bewegung, Stimmung und Rhythmus. Gkinosatis Kunstfertigkeit besteht darin, dass sie sowohl intuitive als auch bewusste Mittel einsetzt,