In unserem Schauraum zeigen wir Arbeiten, in denen der Linie als bildbestimmendes Element die zentrale Bedeutung zukommt. Bereits die kunsttheoretischen Schriften der frühen Neuzeit unterscheiden zwischen Linie und Farbe, Disegno e Colore, dabei wird die Farbe dem Gefühl zugeordnet, der Malerei Venetiens, im Gegensatz zur Linie, die dem Intellekt entspringt und mit der Kunst aus Florenz in Verbindung gebracht wird. Wir gehen nicht ins 16. Jahrhundert zurück, sondern konzentrieren uns auf Künstler des späten 20. Jahrhunderts und einer Arbeit von 2012 der japanischen Künstlerin Chiharu Shiota, die im Stahlrahmen eines Eisenkubus ein Liniengeflecht mit Wollfäden gesponnen hat, in der eine Silberkugel den Zustand des Seins verkörpert.
Die frühesten Arbeiten im Raum sind Radierungen des amerikanischen Künstlers Fred Sandback von 1975 und 1976. Die Papierarbeiten weisen Ähnlichkeiten zu den plastischen Werken des Künstlers auf, der mit einfachsten Mitteln Räume in poetische Installationen verwandelte. Von Tom Wesselmann begegnet uns das Multiple einer nackten liegenden Rosemary von 1990. Der amerikanische Künstler Al Taylor hat einfache Essstäbchen und eine Konservendose als skulpturale Installation mit Bleistift, Korrekturflüssigkeit und Gouache festgehalten. Bei der Neurahmung der Zeichnung entdeckten wir auf der Rückseite den Zusatz «Tatlin and Malevich». Diese Bezeichnung verweist auf die russische Avantgarde und öffnet einen Bedeutungsraum zum russischen Formalismus.
Von Brice Marden zeigen wir eine Folge von vier Radierungen, deren Titel Suzhou und Ausführung auf seine Beschäftigung mit japanischer Kaligraphie schliessen lassen. Pierre Haubensak ist mit einer filigranen Kohlezeichnung mit Gittermuster vertreten. Von Barry Le Va zeigen wir eine Skizze, die im Zug einer Performance in Porto entstanden ist. Neben dem Museu Serralves des Architekten Álvaro Siza befindet sich ein Art Deco Gebäude, das oft Kunstschaffenden für Aktionen zur Verfügung gestellt wird. Dort installierte der amerikanische Künstler eine Anordnung mit zufällig gebrochenen Glasplatten.
Die Gruppe der Arbeiten im Schauraum veranschaulicht die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Linienzeichnung in der künstlerischen Praxis.