Benedikte Bjerre, Anne-Lise Coste, Clare Goodwin, Pierre Haubensak, Jamie Isenstein, Koka Ramishvili
6. Juni bis 12. Juli 2025
Eröffnung: Donnerstag, 5. Juni von 17 bis 20 Uhr
Wir freuen uns sehr, Sie in der Gruppenausstellung Biographical Forms zu begrüssen, in der wir Arbeiten von sechs Kunstschaffenden aus dem Galerieprogramm zeigen. Eine Ausstellung im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia in Madrid mit dem Titel Formas Biográficas 2014 gab die Anregung für die Präsentation. Den Zusammenhang zwischen Biografie und Kunstwerk beschrieb bereits der Renaissance Autor Giorgio Vasari. Der bekannte Schweizer Kurator Harald Szeemann ist der Vorstellung der individuellen Mythologien im Rahmen der documenta 5 1972 in Kassel nachgegangen.
Die Beziehung von künstlerischer Arbeit und Biografie der Kunstschaffenden fällt individuell sehr unterschiedlich aus. Das Werk von Pierre Haubensak (*1935 in Brünig, Schweiz, lebt in Zürich) ist geprägt von einzelnen Werkgruppen, in denen er neue malerische Fragestellungen erarbeitet. Zu Beginn seiner langen künstlerischen Karriere stimmen diese Stilwechsel oft mit Ortsveränderungen überein. In den 1960er Jahren hielt sich Pierre Haubensak neben seiner Wahlheimat Zürich immer wieder auf Ibiza auf und war danach bis 1977 in einem Loft an der Canalstreet in New York zuhause. Sowohl das Bild Spagat als auch die Papierarbeit Gate entstanden auf Ibiza, während die weiteren Papierarbeiten Crosslines und Manhattan Verticals in New York geschaffen wurden: Diese Aufzeichnungen auf unbedruckten Zeitungspapier enthalten direkte Hinweise auf Manhattan, sei dies in den dominierenden Vertikalen der Wolkenkratzer oder dem farbigen Liniennetz der New Yorker Subway. In Nightwalk von 2017 greift Pierre Haubensak auf frühere Bildfindungen aus der Serie der Crosslines zurück, um diese malerisch aufzulösen. Im subtilen Spätwerk Grisons bleus von 2020 zeigt sich die ganze malerische Freiheit und das Können von Pierre Haubensak, der demnächst seinen 90. Geburtstag feiert. Aus diesem Anlass ist ihm ab dem 19. Juni eine retrospektive Ausstellung im Fotostudio Frei (einem frühen Bau von Herzog & de Meuron) in Weil am Rhein gewidmet, zu der eine Publikation mit einem Text von Dieter Schwarz erscheint.
Der georgisch-schweizerische Künstler Koka Ramishvili (*1956, in Tiflis, Georgien, lebt in Genf) beschäftigt sich neben fotografischen und installativen Arbeiten neuerdings stärker mit der Ölmalerei. In einer Folge von kleinen Bildern, die zum Teil ohne Pinsel entstehen, lediglich durch das Verteilen der Farbe auf dem Malgrund mittels Stoffelementen, schafft er traumartige Aufzeichnungen. Manchmal sind Tiere wiedergeben, oft ist Landschaft zu erkennen, aber auch Figuren wie aus einer anderen Zeit. Mit dem Titel This What Happened in the Burgundy House stellt Koka Ramishvili eine Beziehung zur Fernsehserie «Twin Peaks» von David Lynch und Mark Frost aus den frühen 1990er Jahren her.
Jamie Isenstein (*1975 Portland, Oregon, US) schuf speziell für die Ausstellung vier neue Arbeiten. Die Skulptur Onions (Kabuki to Groucho) verändert durch die übereinandergeschichteten Gesichtsmasken ihre Identität: Eine Kabuki-Theater-Maske trägt eine Frankenstein Maske, die wiederum eine Clown Maske trägt, die eine Groucho Marx Maske trägt. «Wie Menschen besitzen auch Masken mehrdimensionale Schichten, die die Komplexität aller Menschen und Allem um uns herum versinnbildlichen. Auch steht die Arbeit für die Unmöglichkeit, andere Menschen oder die Welt um uns herum jemals vollkommen zu verstehen. Der Türklopfer in Form eines Fragezeichens verwandelt jede Tür in eine „Mystery Door“, wie man sie in einem Vergnügungspark oder in einer klassischen Fernsehspielshow findet, in der der Moderator die Teilnehmenden auffordert, zu erraten, was sich hinter der Tür befindet. Als Türklopfer an einer Haustür angebracht, bietet das Werk der Person an der Schwelle die Möglichkeit, über das unendliche Potenzial dessen nachzudenken, was sich hinter der Tür offenbaren könnte, sowie die Chance für den Türklopfer zu entscheiden, was gezeigt und was verborgen bleibt.» Zwei akribisch gezeichnete Aquarelle eines Siebs und einer Kristallkugel vervollständigen die Werkgruppe von Jamie Isenstein. Sie sind ähnlich in der Gestalt jedoch gegensätzlich in ihrer Funktion.
Benedikte Bjerre (*1987, Kopenhagen, Dänemark) trägt ein Assisted Readymade zur Ausstellung bei. Dabei handelt es sich um zwei Stapel industrieller Eierkartons, die eine Eier-Architektur bilden und die uns, gemäss Bjerre, an eine andere Architektur für Eier erinnern könnte – die Eierstöcke. 24 Kinder-Überraschungseier sind über die gesamte Struktur verteilt. „Dieses Werk setzt setzt sich damit auseinander, wie von Frauen erwartet wird, beständig zu funktionieren und Leistung zu erbringen – ein Leben lang, trotz fortlaufender biologischer Veränderungen. Der Titel Joy ist ein Wort, das ein von Hormonen gesteuertes Gefühl beschreibt. Gleichzeitig ist Joy aber auch der Name der Kinder Überraschung für den amerikanischen Markt, da das ursprüngliche Kinder Surprise Produkt wegen Erstickungsgefahr durch das Spielzeug verboten wurde. Deshalb entwickelte Kinder das Produkt Joy, das Schokolade und Spielzeug in zwei getrennten Kammern aufbewahrt.
Clare Goodwin (*1973, Birmingham, UK, lebt in Zürich) zeigt eine neue Assemblage-Arbeit, deren Türen und Holzelemente aus Secondhand-Möbeln und Küchenmodulen stammen, die sie im Rahmen eigener Recherchen entdeckt hat. Sie sind in ihrem ursprünglichen Zustand und ihrer originalen Grösse belassen und tragen Spuren der Nutzung und Erinnerung. Clare Goodwin kombiniert diese vorgefundenen Elemente mit von ihr handgefertigten Keramiken, die eine kontrastierende Qualität in die Gesamtkomposition mit einbringen: Das harte Material wirkt unerwartet weich, fast «Soft-Edge». “Dieser Wandel, gemeinsam mit den neu arrangierten Holzelementen, spiegelt mein anhaltendes Interesse daran wider, wie Vergangenheit und Gegenwart in einen Dialog aus Form, Kontext und gelebter Erfahrung treten. Unter Rückgriff auf Hard-Edge- und minimale Abstraktion nutze ich formale Strategien, um über die Systeme, Strukturen und Codes nachzudenken, die häusliche Umgebungen bestimmen und soziale Geschichten beinhalten. Ich bezeichne diesen Ansatz oft als Konstruktive Nostalgie – eine Weise, die Vergangenheit neu zu interpretieren, um neue Perspektiven auf die Gegenwart zu eröffnen. Für mich funktionieren diese Werke wie wandbasierte „Ereignisräume“ – minimal im Erscheinungsbild, aber aufgeladen mit häuslicher Geschichte und latenten Erzählungen. Fast wie ein Ausschnitt aus dem Alltag.“ Neben dieser Assemblage-Arbeit hängen drei Aquarelle, die auf Miniaturmöbel beruhen. Sie entstanden in Bogliasco in Ligurien während ihrer Künstlerresidenz Anfang 2025.
Anne-Lise Coste (*1973, Marignane, Frankreich, lebt in Paris) zeigt zwei Werkgruppen aus Zeiten des Übergangs und der Neuorientierung. Stillleben aus der Gruppe Love and Flower malte Anne-Lise Coste 2010/14 zu Beginn und im Laufe ihres Aufenthalts in New York City. Der Lärm, die Menge von Leuten, die Intensität von Manhattan waren Anne-Lise Coste zu viel. Sie ging in einen Laden für Kunstbedarf und besorgte sich kleine vorgefertigte Leinwände, auf denen sie Stillleben festhielt. Diese Bilder sind Exerzitien der Versenkung und Konzentration. Die Werkgruppe Top of the Lake malte Anne-Lise Coste erneut nach einem Ortswechsel, diesmal von Sète nach Paris 2025, wobei, und dies wird bereits im Titel ersichtlich, sich in diesen farbigen Bildern eine Stimmung von Aufbruch und Zuversicht findet.