Åplus Berlin

Andi Fischer "TaTa ongart"

29. April – 05. June 2021

Wenn bei Andi Fischer der Ritter in die Schlacht zieht und voller Zuversicht und Tatendrang “Ta Ta Ongart” schreit, dann ist das genauso rührend wie angriffslustig und sollte dennoch ernst genommen werden. Der Ausruf ist der Titel der Ausstellung, die drei Schaukästen und acht neue Malereien aus diesem Jahr zeigt. Indem Andi Fischer in seiner Malerei alle Regeln über Bord wirft und krickelt und krakelt, entlockt er dem Medium, das die Theoretiker - und KünstlerInnen seit Jahrzehnten beschäftigt, eine ganz neue Ebene.

Mit Absicht schlecht zu malen, ist natürlich keine neue Erfindung. Das haben schon etliche vor ihm getan. Und auch zu denken, er würde wie ein Kind malen, ist gänzlich falsch und sogar vermessen. Denn kein einziges Kind auf der Welt würde je so malen.

Die Bilder zeigen keine naiven Szenen, sondern beziehen sich auf Jahrhunderte der Kunstgeschichte. Seine eigentliche Leistung ist die eines Übersetzers und seine Arbeiten sind Bild-gewordene Transferleistungen: Die Mythen, Kämpfe und existenziellen Sorgen, die man schon in den Gemälden von Peter Paul Rubens oder Albrecht Dürer finden konnte, sind hier in die Ästhetik des Jetzt übersetzt. Es ist ja nicht so als hätten sich die existenziellen Bedürfnisse und Gefühle der Menschen über die Jahrzehnte verändert. Die Umstände haben sich verändert, aber nicht die großen Kämpfe, die der Mensch unweigerlich ausfechten muss, wenn er am Leben ist. Jedes einzelne Bild entwirrt und decodiert einen menschlichen Aggregatzustand und schafft ein wenig mehr Klarheit. Gleichzeitig stellt die Malerei sich trotzig einer Gesellschaft entgegen, die kollektiv um Perfektion ringt und in der jeder Makel und jede Schwäche wieder in eine Form von Perfektion gegossen wird und damit die Kategorien gut / schlecht und schön / hässlich nur noch weiter befeuert. Fischers Arbeiten entziehen sich diesen Kategorien geschickt, weil man im ersten Moment immer schon denkt sie zu durchdringen. Dabei sprengen sie den Rahmen und führen allem was sich dem Druck nach Perfektion und glatter Fassade beugt, die eigene Unmöglichkeit vor.

Auch die Schaukästen führen mit ein paar wenigen Handgriffen große Geschichten auf. Der Schaukasten greift dabei, wenn man will, auch den Begriff des musealen Sammelns auf und lässt fragen, was man eigentlich sammelt, bewahrt und präsentiert. Und warum eigentlich?

So scheinen die Bilder und Schaukästen nur auf den ersten Blick witzig, ungelenk und nonchalant. Wenn man sie aufbricht, dann erkennt man, dass es eigentlich ganz einfach ist. Dass es um Liebe, Schmerz, Tod und Vergänglichkeit geht. Dass in den Bildern eine Dramatik wohnt, die keine Angst vor dem Pathos hat. Im Gegenteil, das Pathetische wird hier eingehegt, umarmt und ist wichtig, um zu verstehen, was den Menschen bewegt. Und dieser Bezug aufs Wesentliche ist vielleicht genau das, was gute Kunst ausmacht.

Außerdem ist es mit Fischers Bildern wohl ein wenig so wie mit dem Schreiben darüber:

Je komplizierter man sich ausdrückt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man es nicht richtig verstanden hat. Und wenn man es so betrachtet, dann kann man davon ausgehen, dass Fischer seine Sache sehr gut verstanden hat.


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If in Andi Fischer's painting a knight goes into battle, confidently and vivaciously screams "TaTa Ongart", this is as feisty as it is touching and should still be taken seriously. The exclamation "TaTa Ongart" is also the title of the exhibition, which features three object boxes and eight new paintings from this year. By tossing overboard all rules of painting, by scribbling and scrawling, Andi Fischer brings to light a whole new layer from a medium that has engaged theorists and artists for decades. Obviously, painting badly on purpose is not a new invention, as quite a few painters have done that before. Moreover, to think that Fischer would paint like a child is completely wrong, even impertinent, since not a single child in the world would ever paint like that.

The works do not represent naive scenes, but relate to hundreds of years of art history. His way of doing is like of a decoder’s and his works are image-formed, rephrased transfers:

myths, struggles and existential concerns already found in the paintings of Peter Paul Rubens or Albrecht Dürer are here translated into the aesthetics of now.

It is not that people's existential needs and feelings have changed over the decades. The circumstances may have changed, but not the great battles that a human being must fight whilst alive. Each single image unravels and interprets a human condition, providing a bit more clarity. At the same time, his painting stubbornly opposes a society that collectively strives for perfection and in which every flaw and defect is cast into a mold for perfection, fueling further the categories good/bad and beautiful/ugly.

Fischer's works skillfully evade these categories, because at first, one always wonders how to see through them. Thereby, they break the mold demonstrating that everything that shrinks under the pressure of perfection and a smooth façade is simply impossible.

The object cases from the other hand put on stage great stories with a few, simple touches.They also question the concept of collecting in a museum, what is preserved and presented, and why?

At first glance the paintings and object cases seem funny, awkward and nonchalant. But once decrypted, one realizes that they actually are quite simple. That they tell about love, pain, death and transience. That in them lives a drama which is not afraid of pathos. That the placed pathos is embraced here and is essential for understanding what drives people. And this essence is possibly what makes good art.

Yet, Fischer's paintings are apparently a bit like writing about them: 

The more complicated one expresses oneself, the higher the probability that one hasn't understood it properly. And if one looks at it that way, then one can assume that Fischer has understood his thing very well.


Text: Laura Helena Wurth

Translation: Majla Zeneli