Wir freuen uns sehr, Sie in der Gruppenausstellung Liminal Moments 1 zu begrüssen. In der Schau zeigen wir Arbeiten von drei Künstlerinnen und zwei Künstlern in unterschiedlichen Medien.
Der Titel verdankt sich einem Abschnitt aus dem Buch Anthro-Vision: A New Way to See in Business and Life der englischen Anthropologin Gillian Tett. In der Einleitung weist die Autorin darauf hin, dass die am wenigsten hinterfragten Vermutungen, diejenigen sind, die am fragwürdigsten sind.
Gillian Tett macht darauf aufmerksam, dass während dem COVID-19-Lockdown viele Männer einen Bart wachsen liessen. Dies wurde gemeinhin auf den Umstand zurückgeführt, dass die Arbeit im Home Office eine gewisse Nachlässigkeit im Erscheinungsbildes der Personen mit sich brachte. Die Gesichtsbehaarung wurde nicht entfernt, da man nicht ins Büro ging. Das Gesicht aber wurde durch die Zoom Telefonate noch mehr ins Zentrum gerückt, was diese Erklärung zumindest abschwächt.
Gillian Tett erwähnt, dass der Anthropologe Victor Turner, der auf dem afrikanischen Kontinent arbeitete, ein Konzept namens Liminalität entwickelte, welches die Explosion von Gesichtshaar während dem COVID-19-Lockdown zum Teil erklärt. In seiner Theorie stellt Turner fest, dass die meisten Kulturen Rituale und Symbole verwenden, um Übergangspunkte oder -phasen, seien dies solche in einem Kalender (zum Beispiel der Beginn eines neuen Jahres), der Start eines neuen Lebenszyklus (Eintritt in die Erwachsenenwelt), oder ein grosses soziales Ereignis (nationale Unabhängigkeit) zu markieren. Diese besonderen Momente werden liminal nach dem lateinischen Wort limens, Durchgang/Tür genannt. Ein häufiges Kennzeichen eines liminalen Momentes ist, dass die übliche symbolische Ordnung umgekehrt wird. Diese wird im Gegensatz zur Normalität gesetzt, um einen Übergangsmoment zu markieren. Oder können die neuen Verhältnisse nun als neue Normalität interpretiert werden?
Der Eindruck herrscht vor, dass wir uns aktuell in einer Zeit grosser Veränderungen befinden, die von uns allen eine geistige Beweglichkeit verlangen. Als Galerie und somit Teil der Kunstszene befinden wir uns ebenfalls in dieser Phase der Liminalität – wir begegnen täglichen Veränderungen. Die Welt zwingt uns geradezu, uns mit ihr zu ändern, uns anzupassen und zu aktualisieren. Klimawandel, Weltpolitik, psychische Gesundheit, Medien, neue Ansätze in zwischenmenschlichen Beziehungen, neue Wahrnehmung unserer eigenen Körper, unser Verständnis von Kunst – alles befindet sich im Wandel und muss neu erfunden werden. In Liminal Moments 1 reagieren die Kunstschaffenden in ihren Arbeiten auf unterschiedliche Art und Weise auf die Zeitenläufe. Jedes Kunstwerk besitzt einen symbolischen Gehalt, den die Betrachterinnen und Betrachter in einen historischen Kontext einordnen müssen und für sich entdecken können.